Liebe Schwestern und Brüder,
zum Fest der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus wünsche wir euch allen Gottes
Segen und eine große Freude über das Handeln Gottes, der die Gesetze des Todes und des
Hasses durchbricht. Im Lichte des Osterereignisses dürfen wir voller Hoffnung und
Zuversicht unserer Berufung als Angehörige der franziskanischen Familie folgen.
Am Wochenende des Palmsonntags hat sich der Nationalvorstand in Dreilützow in der Nähe
von Schwerin getroffen, um inhaltliche Impulse für die kommenden Jahre zu besprechen.
Neben diesen Fragen, über die wir an anderer Stelle noch ausführlicher informieren werden,
beschäftigte, ja bedrängte uns der Krieg in der Ukraine sehr. Wir möchten euch an unseren
Gedanken und Gesprächen teilhaben lassen.
Der Krieg in der Ukraine ist für die Menschen in Europa in besonderer Weise erschreckend,
auch wenn es ständig kriegerische Ereignisse in anderen Teilen der Welt gibt. Das liegt an der
geografischen Nähe zur Ukraine und den kulturellen Gemeinsamkeiten; und es liegt daran,
dass die meisten von uns überhaupt nicht damit gerechnet haben, dass es diese Form von
brutaler Machtausübung auf unserem Kontinent noch einmal geben wird.
Als OFS-Mitglieder sind wir zusätzlich mit dem aufstrebenden und sich entwickelnden OFS
in der Ukraine verbunden. Ihre Vertreterin, Dina Shabalina, wurde beim Generalkapitel im
letzten November zum Präsidiumsmitglied für Nordeuropa gewählt, ist also unsere Vertreterin
im CIOFS. Es ist zutiefst schockierend, dass diese Frau und die Menschen, von denen sie so
hoffnungsvoll erzählte, sich nun mitten in einem unverschuldeten Krieg befinden und brutaler
Gewalt ausgesetzt sind.
Dieser Krieg ist für uns als Menschen, die dem franziskanischen Charisma folgen, auch
deshalb verstörend, weil der unsere Grundüberzeugungen in Bezug auf Frieden und
Gewaltlosigkeit auf die Probe stellt. Auch hierüber haben wir im Nationalvorstand intensiv
gesprochen.
Zunächst einmal: Wer brutal und einseitig angegriffen wird, hat das Recht, sein Leben, das
Leben seiner Familie und auch seine Freiheit zu verteidigen. Eine Beschränkung auf
gewaltlose Formen des Widerstandes ist für die gesamte ukrainische Gesellschaft keine
Option; das bisherige Vorgehen des russischen Militärs, die Entmenschlichungsrethorik der
russischen Führung und das klar formulierte Kriegsziel, das in einer Eliminierung
demokratischer Strukturen und der ukrainischen Kultur besteht, zeigen das deutlich. Bei
einem Sieg des russischen Militärs ist eine Vernichtung jedes zivilen Widerstandes durch
Ermordung und Deportation nicht nur zu befürchten. Sie wurde bereits klar angekündigt, in
Tschetschenien so praktiziert und in den besetzten Gebieten schon begonnen.
Wenn es aber ein Recht auf gewaltsamen Widerstand in dieser Ausnahmesituation gibt, dann
sind auch Waffenlieferungen in einem gewissen, immer wieder zu überprüfenden Maße
notwendig. Alles andere wäre ein Zynismus, der aus einer sicheren eigenen Position heraus
von anderen die Preisgabe des eigenen Lebens fordert.
Natürlich denken wir als franziskanisch orientierte Menschen an Franziskus und seine
unbedingte Haltung der Gewaltlosigkeit. Sein Besuch beim Sultan war ein prophetisches
Zeichen, das einen Weg über diesen Krieg hinaus weisen kann. Aber wir dürfen auch die
Unterschiede nicht übersehen: Franziskus riskierte sein eigenes Leben; er empfahl nicht
anderen eine Haltung der Wehrlosigkeit. Außerdem war er Angehöriger der angreifenden
Macht. Die Kreuzritter hätten den Krieg einfach dadurch beenden können, dass sie auf weitere
Angriffe verzichteten. Genau das hat Franziskus ihnen ja auch deutlich nahegelegt. Sein
Beispiel ist also auf den jetzigen Kontext nicht direkt anwendbar.
Was aber können wir in dieser Situation tun?
– In der gemeinsamen WhatsApp-Gruppe der nordeuropäischen OFS-Gemeinschaften haben
Dina Shabalina und ihr Nachfolger als Vertreter der Ukraine, Serhij, immer wieder gesagt,
wie wichtig unser beständiges und intensives Gebet für sie ist. Sie sind davon überzeugt, dass
nur Gott diese Situation verändern und lösen kann und sie vertrauen darauf, dass er es tun
wird. Wir bitten also alle lokalen Gemeinschaften, immer wieder gemeinsam für die Ukraine
und auch für Russland zu beten, dass dieser Krieg beendet wird und irgendwann auch wieder
Versöhnung möglich sein kann.
– Der CIOFS hat ein Spendenkonto für den OFS der Ukraine eingerichtet. Das Geld soll in
Absprache mit dem CIOFS dazu verwendet werden, Hilfe zu leisten und nach dem Ende des
Krieges Wiederaufbau und Friedensarbeit zu ermöglichen. Der Nationalvorstand hat aus dem
Solidaritätsfond bereits 5000.-€ überwiesen. Ihr könnt zweckgebundene Spenden an das
Konto der Nation überweisen: OFS Deutschland IBAN DE44 5109 0000 0077 0180 00.
– Die vielen Flüchtlinge aus der Ukraine brauchen Hilfe und Unterstützung, besonders beim
Umgang mit deutschen Behörden und bei der Eingliederung in Schulen und ggf.
Arbeitsplätze. Manchen lokalen Gemeinschaften oder auch einzelnen Schwestern und
Brüdern ist es vielleicht möglich, hier tätig zu werden. Wenn Kontakte bestehen, wäre der
Nationalvorstand dankbar für eine kurze Mitteilung. Für den OFS in der Ukraine wäre es eine
Ermutigung, wenn sie erfahren, dass den ukrainischen Geflüchteten hier in Deutschland vom
OFS zur Seite gestanden wird.
Gemeinsam bitten wir um die Hilfe des auferstandenen Christus, um den Geist der Umkehr
und des Friedens und um das rettende Eingreifen Gottes, ohne das diese Welt nicht bestehen
kann.
Geschwisterliche Grüße, Pace e Bene
Hier gibt es den Brief als DOWNLOAD